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Überaus interessante Dokumente zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung von Städten und Gemeinden im Osten Deutschlands fristen ein relativ unbeachtetes und sehr ungeschütztes Dasein. Es handelt sich zum einen um Fassadenmalereien der Vorkriegszeit zur Werbung für Geschäfte, Fabriken und Gaststätten, zum anderen um Geschäftsschilder aus DDR-Zeiten. Für beide gilt, dass sie leider in rasendem Tempo zerstört werden, da kein Interesse zu Bewahrung vorhanden ist.

 

Als ich 1993 zunächst in Dresden anfing, diese Schriften zu fotografieren, gab es noch in großem Umfang Hinweise auf ehemalige Einkaufsmöglichkeiten für "Kolonialwaren", "Cigarren & Cigaretten", "Brod-, Weiss- und Feinbäckerei", "feine Fleisch- und Wurstwaaren" oder "Holz- und Kohlehandlungen" aller Art. Sitz- und Badewannen gab es einst "auch leihweise", ein "Frühstückslocal" oder eine "Stehbierhalle" waren nahezu an jeder Ecke. Für das in der Dresdner Albertstadt untergebrachte Militär hatten sich kleine Unternehmen auf die "Anfertigung von Uniformkragen" oder "Handschuhwäscherei" spezialisiert. Der heutigen Wegwerfmentalität entgegen standen Geschäfte für "Laufmaschenreparatur", "Füllhalter-Reparatur" und "Haarspangen-Reparatur".

 

Viele Schriften waren nach Jahrzehnten der Vernachlässigung oftmals kaum noch zu entziffern, so interessante Hinweise wie "Waschbretter-Fabrik", "Mech. Besohl-Anstalt" oder "Ulk-Kneipe" kaum noch zu lesen. Um sie nicht ganz der Vergessenheit preiszugeben, habe ich sie in dem Ordner "Dies und das" unter "verlorene Schriften" gesammelt.

 

Neben dem klassischen Hinweis auf einen "Konsum" oder "Hol-Fix" gab es auch ganz witzige Schilder in der DDR - wie das eines Frisiersalons, der mit "gefärbt – getönt, verjüngt – verschönt" warb. All die so abwechslungsreich gestalteten, großen Glasplatten wurden in den meisten Fällen einfach in Baucontainer geworfen und sind dabei zerbrochen. Noch heute bedauere ich, dass ich bei der Sanierung eines Hauses auf der Kamenzer Straße in Dresden fünf Minuten zu spät war, um "Vogel & Scheuch – früher an der Frauenkirche" zu retten.

 

Durch die Sanierung ganzer Stadtteile sind in den letzten Jahren mehr als 90 % der Schriften und Werbungen verloren gegangen, die ich zwischen 1993 und 2003 fotografiert habe und hier nun gesammelt zeige. Oftmals ist es unverständlich, dass gut erhaltene Putzkassettierungen (mit Schrift) zunächst abgehackt und dann genau so wieder (ohne Schrift) rekonstruiert wurden.

 

Die meisten alten Schriften waren in Dresden und in Görlitz erhalten. In Berlin und Halle war der Putz oft in auffallend schlechtem Zustand, die Schriftzüge teilweise leicht verwaschen und "unscharf". Ich habe mich aber trotzdem bewusst dazu entschlossen, auch weniger gut erhaltene Schriften zu zeigen, da sie für die Geschichte einer Stadt / eines Stadtteils meist sehr informativ sind.

 

Die einzige Stadt, die ganz bewusst die Schriften bei Sanierungen schützt und rettet, ist Stralsund. In allen anderen Städten ist dies die absolute Ausnahme und wurde nur Dank einiger weniger, an alten Schriften interessierter Bauherren ermöglicht.

 

Noch ein kurzes Wort zu den Fotos: Eine ewige Plage aus Sicht des Fotografen sind

 

- unglücklich geparkte Autos oder hohe Transporter,
- enge Straßen- und Hofdurchgänge,
- Absperrzäune, Gerüste, Büsche und Bäume,

 

die eine einigermaßen gerade oder parallel zum Motiv ausgerichtete Aufnahme oft sehr erschweren oder verhindern.

 

All dies verschwindet aber gegenüber von neuen Geschäftsschildern und Reklamen, die meist rücksichtslos in die alten Schriften gebohrt werden. Oft wäre durch eine nur wenige Zentimeter versetzte Anbringung eine Schädigung oder Zerstörung zu verhindern gewesen. Auch Graffiti und Plakate machen einen nicht immer froh...

 

Falls jemand eine bisher nur in Teilen entzifferte Schrift deuten kann, würde ich mich sehr über eine kurze Mail freuen.